Geschichte ist die beste Medizin für einen kranken Geist, denn in der Geschichte hat man ein Verzeichnis der unendlichen Vielfalt der menschlichen Erfahrung, das offen für alle einsehbar ist, und in diesem Verzeichnis kann man für sich selber und sein Land sowohl Beispiele als auch Warnungen finden: schöne Sachen, die man sich zum Vorbild nehmen kann, niederträchtige Dinge, durch und durch verdorben, die man meiden soll.

 Titus Livius, römischer Geschichtsschreiber (59 v. Chr.–17 n. Chr.)

 

Wesentliche Ziele des Geschichtsunterrichtes sind die Reflexion über die Geschichte als Gesamtheit des Vergangenen und damit den Gegenstand historischer Forschung sowie die Reflexion über die historische Erkenntnisgewinnung. Den Schülern/innen soll im Laufe ihrer Schulzeit bewusst werden, dass Geschichte eine narrative Rekonstruktion der Vergangenheit ist, die keineswegs mit der Vergangenheit identisch ist. Zwar hat es eine Geschichte gegeben, diese kann aber im Nachhinein nicht mehr in all ihren Einzelheiten und Abläufen erfasst werden. Die Lernenden sollen die Einsicht gewinnen, dass die historische Vergegenwärtigung durch eine subjektive Aneignung geprägt ist und jede Generation andere Fragen an die Vergangenheit stellt und das Vergangene anders deutet.

 

Die Auseinandersetzung mit Geschichte im Unterricht soll auf der Basis umfangreichen Wissens über die Vergangenheit das Verständnis der Gegenwart fördern, sei es, indem die Schüler/innen über die Folgen historischer Ereignisse auf unsere Gegenwart nachdenken oder indem sie komplexe nationale und weltpolitische Zusammenhänge erkennen. Außerdem soll die Auseinandersetzung mit Geschichte, mit „schöne[n] Sachen“ und „niederträchtige[n] Dinge[n]“ in der Vergangenheit, den Lernenden Orientierungs- und Entscheidungshilfen für gegenwärtiges Handeln, Denken, Bewerten und Beurteilen schaffen und die Voraussetzung dazu bieten, eine eigene historische Identität zu entwickeln.

 

Um die eben ausgeführten Ziele erreichen zu können, steht neben der Vermittlung von Sach- und Urteilskompetenzen die Vermittlung von methodischen Fähigkeiten im Fokus des Geschichtsunterrichts am Gymnasium Othmarschen. Die Rekonstruktion der Vergangenheit ist von dem Vorhandensein und der Aussagekraft von Zeugnissen aus der Vergangenheit (Quellen) abhängig, die im Unterricht kritisch geprüft und ausgewertet werden, wobei der Multiperspektivität ein hoher Stellenwert zukommt. Außerdem lernen die Schüler/innen, kritisch mit kontroversen Interpretationen der Geschichte durch verschiedene Historiker umzugehen. Das Fach Geschichte fordert zur Diskussion heraus, öffnet emotionale und ästhetische Zugänge. Zur Initiierung von Lernprozessen dient auch der Besuch von außerschulischen Lernorten wie beispielsweise dem Archäologischen Museum (Klasse 6), dem Auswanderermuseum (Klasse 8) oder der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Klasse 10).

 

Das Fach Geschichte wird am Gymnasium Othmarschen durchgängig zweistündig von Klasse 6 bis Klasse 10 unterrichtet und kann in der Studienstufe profilgebend auf erhöhtem Niveau („Kultur und Gesellschaft“, „Kunst im Kontext“) vierstündig sowie auf grundlegendem Niveau zweistündig belegt werden.

Da die Vergangenheit, der Gegenstand des Unterrichts, sich im Laufe der Zeit beständig erweitert, ist der Anspruch auf eine chronologische Vollständigkeit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Fachschaft Geschichte setzt sich regelmäßig mit der Kanonfrage auseinander und passt die schulinternen Curricula immer wieder an. Sehr bestrebt sind wir, im Zeitalter der Globalisierung die außereuropäische Geschichte zu ihrem Recht kommen zu lassen, und zwar nicht erst ab dem Moment, in dem afrikanische, asiatische und altamerikanische Gesellschaften ins Visier imperialer Interessen gerieten. Das fächerverbindende Projekt „Globales Lernen“ – eine Kooperation mit den Fächern Geografie und PGW – in Klasse 9 dient diesem Ziel. Außerdem fördert dieses Projekt interdisziplinäres Denken und Arbeiten und intensiviert selbstgesteuertes Lernen.

 

Silke Nippert-Bussacker – Fachleitung Geschichte